PDie nachhaltige Entwicklung von digitalen Lehr-, Lern- und Prüfungsformaten – auch und insbesondere über den Zeitraum der Pandemie hinaus – beschäftigt die regierenden Parteien Hamburgs. Ein entsprechender Gesetzesänderungsantrag des Hamburgischen Hochschulgesetzes (HmbHG) wurde im Mai/Juni 2021 gestellt. Die geänderte Gesetzesfassung ist aktuell bereits veröffentlicht [1] und hier einsehbar. Große Teile der Änderungen sind bereits rückwirkend zum 01.01.2021 in Kraft getreten. In diesem Beitrag stellen wir Ihnen die Gesetzesänderungen aus der Perspektive juristischer Laien vor und wagen eine erste Deutung, wie die Änderungen sich in der Praxis auswirken könnten. Es ist davon auszugehen, dass Dienstanweisungen, die Datenschutzsatzung sowie Prüfungsordnungen (unter Einbeziehung der Studiendekanate) an der Universität Hamburg (UHH) im Hinblick auf die Gesetzesänderungen anzupassen sind. Wir informieren Sie an dieser Stelle über die konkrete Umsetzung der Gesetzesänderungen an der UHH, sobald uns diese bekannt sind.

Am Ende dieses Beitrags haben Sie eine Vorstellung davon, was die Änderungen im HmbHG für Ihre Lehrplanung bedeuten können. Dieser Beitrag bildet den Auftakt zu einer dreiteiligen Serie zur Unterstützung der Planung Ihrer Lehre im kommenden Wintersemester, die durch viele externe Unsicherheiten unter erschwerten Bedingungen erfolgt. Der zweite Teil dieser Blogserie gibt daher einen Überblick über verschiedene Lehr-Lernszenarien mit unterschiedlichen Virtualisierungsgraden (von Präsenz über hybrid bis rein digital) und formuliert konkrete Empfehlungen für die verschiedenen Formate. Im dritten Teil der Blogserie erläutern wir die technischen Anforderungen und Lösungsmöglichkeiten speziell für hybride Lehrveranstaltungen.

Entscheidende aktuelle gesetzliche Neuerungen

HmbHG:

  • 111 (2): Für die Durchführung von Online-Lehre dürfen Lehrveranstaltungen mittels Video- und Tonaufnahmen übertragen werden. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind auf die Übertragung über ein elektronisches Datenfernnetz hinzuweisen und in präziser, transparenter, verständlicher und leicht zugänglicher Form insbesondere darüber zu informieren, zu welchem Zweck erhobene personenbezogene Daten verarbeitet und wann diese wieder gelöscht werden.
  • 111 (2): Für die Online-Lehre sollen Lernmanagementsysteme, -plattformen, Videokonferenzsysteme und andere technische Hilfsmittel so genutzt werden, dass Installationen auf den entsprechenden Kommunikationseinrichtungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer nur im erforderlichen Maße vorgenommen werden müssen. Zur Begrenzung der Datenerhebung und -verarbeitung sollen die Hochschulen bei der Nutzung von Videokonferenzsystemen auf einen koordinierten Einsatz in möglichst genau zu benennenden Situationen achten.
  • 111 (3): Bei der Durchführung von Online-Prüfungen dürfen personenbezogene Daten der Teilnehmerinnen und Teilnehmer auch zum Zwecke der Authentifizierung und einer Videoaufsicht verarbeitet werden. Die Videoaufsicht ist so einzurichten, dass der Persönlichkeitsschutz und der Datenschutz der Betroffenen nicht mehr als zu den berechtigten Kontrollzwecken erforderlich eingeschränkt werden. Eine Aufzeichnung oder eine automatische Auswertung der Bild- und Tondaten der Videoaufsicht sind unzulässig. […] Die Teilnahme an einer Online-Prüfung ist freiwillig.

Zusätzlich gibt es in dem Gesetz zur Bewältigung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie im Hochschulbereich vom 8. September 2020 (HSchulCovid19AuswG; vgl. HmbGVBl. S. 431) folgende relevante Änderung:

HSchulCovid19AuswG:

  • 3: Zur Sicherung des Hochschulbetriebs dürfen Online-Lehrveranstaltungen mittels Video- und Tonaufnahmen durch die Lehrenden aufgezeichnet werden. Die nach Satz 1 gefertigten Aufzeichnungen dürfen zum Zwecke der Nachbereitung der Lehrveranstaltung den Teilnehmenden der Lehrveranstaltung zugriffsgeschützt zugänglich gemacht werden. Im Übrigen ist die weitere Verwendung unzulässig. Die Aufzeichnung der Bilder und Wortbeiträge der Teilnehmerinnen und Teilnehmer ist nicht zulässig.

Was bedeutet das für die Praxis?

Disclaimer: Bei den folgenden Inhalten handelt es sich um die Meinungen und Einschätzungen juristischer Laien. Wir unternehmen hier lediglich einen informierten Deutungsversuch. Für konkrete UHH-interne Regelungen sind stets die Dienstanweisungen und Satzungen der UHH zu beachten. Auch sei darauf hingewiesen, dass Klagen gegen die Novelle möglich sind, was Auswirkungen auf die finale Ausgestaltung der Regelungen und somit auf die Anwendung dieser Regelungen haben kann.

Bezogen auf die Lehre regelt das Gesetz nun ausdrücklich, dass Bild und Ton von Lehrveranstaltungen übertragen und sogar für didaktische Zwecke aufgezeichnet werden dürfen. Dazu ist es erforderlich, die Studierenden darüber in verständlicher Art und Weise zu informieren, was mit ihren Daten passiert. Die Einhaltung der DSGVO gilt somit weiterhin. Dies kann etwa via Datenschutzerklärungen für die verwendeten Kommunikationswerkzeuge, Lernplattformen und -tools geschehen. Ein sehr gutes Beispiel dafür ist diese zu WISEflow. Zu Zoom finden Sie entsprechende Hinweise hier.

Wenn für die hybride oder digitale Lehre Kommunikationswerkzeuge oder didaktische Software/Tools verwendet werden, dann dürfen die verwendeten Dienste die Studierenden nicht dazu auffordern, persönliche Daten preiszugeben. Praktisch bedeutet dies, dass zunächst zu prüfen ist, ob eine Anwendung, die genutzt werden soll, vom RRZ unterstützt und angeboten wird. Bezogen auf Lernmanagementsysteme sind dies u.a. Moodle, OpenOlat und CommSy. Hinsichtlich der Nutzung von Videokonferenzsystemen bedeutet dies aktuell, dass Zoom im Rahmen der UHH-Lizenz genutzt werden soll. Zoom darf weiterhin ausschließlich unter Verwendung der Zoom-Services der Universität Hamburg unter http://uni-hamburg.zoom.us genutzt werden.

Nur so kann sichergestellt werden, dass die Datenströme über Server der Universität im RRZ laufen und somit die Inhalte vertraulich bleiben. Wichtig ist, dass dies die Nutzung von alternativen Tools wie Mentimeter nicht grundsätzlich ausschließt.  Studierende müssen hier beispielsweise kein eigenes Konto anlegen und können über einen Link im Browser anonym partizipieren. Erwartbar könnte seitens der UHH eine Dienstanweisung folgen, welche die aktualisierte Rechtslage hinsichtlich der Videokonferenzsoftware Zoom in konkrete Handlungsanweisungen überführt.

Bild eines Zoom Calls

Privatsphäre und Aufzeichnung

Die Novellierung öffnet weiterhin den Raum für Videoüberwachungsmöglichkeiten während Online-Prüfungen. Wichtig ist hier auch die Ergänzung, dass die Teilnahme an Online-Prüfungen freiwillig ist. Somit müssen Studierende keinen Einblick in ihre private Sphäre geben. Gesetzlich könnten nun Vorstöße zur Videoüberwachung und Authentifizierung der Studierenden möglich werden. Die Fakultät für Rechtswissenschaft an der UHH beginnt bereits, diesen Weg zu beschreiten. Hier gelten jedoch Besonderheiten zum Beispiel aufgrund des Hamburgischen Juristenausbildungsgesetzes. Eine allgemeine Regelung für die UHH sowie spezifisch für die Fakultäten bleibt abzuwarten.

Lehrveranstaltungen dürfen nicht nur übertragen, sie dürften mit der Gesetzesänderung zukünftig für didaktische Zwecke auch aufgezeichnet werden. Hierunter zählen u.a. Prüfungsvorbereitung der Studierenden, asynchrone Nutzung der Inhalte für Studierende, die zum Beispiel Care-Arbeit zu verrichten haben oder didaktische Weiterentwicklung der Lehre hin zu Blended Learning und Inverted Classroom Formaten. Das Gesetz regelt, dass im Falle einer Aufzeichnung, Studierende per Bild und Ton nicht mit aufgezeichnet werden dürfen. Dies impliziert, dass sich Aufzeichnungen nur für wenig diskursive bzw. interaktive Lehrformate eignen oder die Aufzeichnungen entsprechend nachbearbeitet werden müssten. Studierende sollten hier darauf hingewiesen werden, dass die Aufzeichnungen für keine anderen Zwecke als die oben beschriebenen genutzt werden dürfen.

Einwertung und Hintergrund

Im Rahmen der oben vorgestellten Novellierung betont die Legislative ausdrücklich, dass die Hochschulen gesetzlich dazu verpflichtet sind, die Studierenden auf spätere berufliche Tätigkeiten vorzubereiten, den Studierenden das Absolvieren des Studiums in Regelstudienzeit zu ermöglichen, die Durchführung von Prüfungen sicherzustellen, die Didaktik weiterzuentwickeln und auch Online-Kurse anzubieten. Zur Gewährleistung dieser Aufgaben müssen Unis ihre Angebote nicht nur in Präsenz durchführen, sondern regelhaft auch digitale Formate berücksichtigen. Seitens der Politik ist weiterhin die Erwartung zu entnehmen, dass nicht alle, aber einige digitale Lehr- und Prüfungsformate, die zur Bewältigung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie eingeführt wurden, fortgeführt werden, wenn der regelhafte Präsenz-Hochschulbetrieb wieder möglich ist. Dies gilt insbesondere in Anbetracht des weiterhin ungewissen Verlaufs der COVID-19-Pandemie und somit insbesondere auch noch für das kommende Wintersemester.

Die Kommentierung zum Gesetz betont, dass die Novellen es den Lehrenden insbesondere in dieser ungewissen Planungslage ermöglichen soll, Online-Lehrveranstaltungen aufzuzeichnen. Dabei sollen die Hochschulen dafür Sorge tragen, dass nur im absolut erforderlichen Maße Daten von Studierenden erhoben und verarbeitet werden. Der Gesetzesantrag betont an einigen Stellen die Entwicklung der Lehre und zwar losgelöst von der Pandemie. Digitalisierte Lehrmedien sollen den Zwecken dienen, Lehrinhalte zeitgemäß vor- und nachzubereiten. Dies bedeutet, sich Inhalte zeit- und ortsunabhängig anzueignen sowie einen hohen Grad an Selbststeuerung des Lernprozesses zu ermöglichen. Diese Punkte helfen zum Beispiel Nicht-Muttersprachler:innen und Personen, die Care-Verpflichtungen zu erledigen haben.

Hier wird Ihnen geholfen

Melden Sie sich gerne unter unserer Funktionsmail, wenn Sie Fragen zur technischen Umsetzung von digitaler / hybrider Lehre haben, oder konkrete didaktische und fachliche Ideen zur digitalen Lehre Austauschen wollen bzw. dazu gerne Inputs hätten. Wir freuen uns auf den Austausch!

Dieser Beitrag ist der erste Teil unserer Serie zur Vorbereitung der digital gestützten Lehre im Wintersemester 2021/2022. Im zweiten Teil gibt Mareike Wieland Lehrenden eine didaktische Entscheidungshilfe an die Hand. Welches (hybride / digitale) Umsetzungsszenario eignet sich für welche Veranstaltung und warum? Im dritten Teil wird Heiko Witt aufzeigen, wie hybride Lehre an der WiSo-Fakultät technisch umgesetzt werden kann.

[1] Dieser Beitrag bezieht sich auf die Fassung des HmbHG vom 17.06.2021