Almut Peukert hat kürzlich den Lehrpreis 2021 erhalten. Ausgezeichnet wurde die Lehre im Rahmen der Veranstaltung „Einführung in die Genderforschung“ aus dem Sommersemester 2021. Die Veranstaltung baute maßgeblich auf den Vorarbeiten der Professur Peukert im Projekt „Flipped Gender“ auf, das von der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften zwischen April 2019 und Juli 2020 gefördert wurde. Das Projekt „Flipped Gender“ hatte zum Ziel, digitale Wissensvermittlung und forschendes Lernen in die Lehre zu integrieren. Unter anderem haben neben Professorin Peukert noch Sophia Kleyboldt (Wissenschaftliche Mitarbeiterin), Christopher Kirschner (Studentischer Mitarbeiter), das E-Learning-Büro der WiSo-Fakultät sowie das MultimediaKontor Hamburg am Projekt mitgewirkt. Der Hamburger Lehrpreis ist mit 10.000 Euro dotiert. Er wird jährlich von der Wissenschaftsbehörde ausgelobt und auf Grundlage studentischer Vorschläge an allen sechs staatlichen Hochschulen parallel vergeben. Wir gratulieren Professorin Peukert und ihrem Team ganz herzlich zu dieser Auszeichnung!

Um bei anderen für Inspiration zu sorgen und zur Nachahmung anzuregen, möchten wir das Lehrkonzept hier etwas genauer vorstellen sowie Medien und Materialien rund um das Projekt zur Verfügung stellen.

Ausgezeichnete Didaktik

Die Vorlesung „Einführung in die Genderforschung“ (Lehrkonzept) wird im Bachelor-Studiengang Sozialökonomie angeboten. Eine Besonderheit des Studiengangs ist, dass auch für Studierende ohne Abitur niedrigschwellige Zugangsmöglichkeiten bestehen. Dies erhöht die Diversität der Lerngruppe (Berufserfahrung, Alter, sozioökonomische Hintergründe) und bereichert so Gruppenarbeiten, da regelmäßig verschiedene Perspektiven eingebracht werden können. Im Rahmen der Veranstaltung wird ein Überblick vermittelt, wie das alltagsweltliche Konstrukt Geschlecht theoretisch wie empirisch in der Soziologie erforscht wird. Die Veranstaltung soll dazu befähigen, alltagsweltliche Gewissheiten zum Thema Geschlecht kritisch zu reflektieren. Die Veranstaltung fand „während Corona“ statt.

Die Didaktik der Veranstaltung war modular in einem Flipped-Classroom-Format (eine Einführung von uns dazu hier) umgesetzt. Dabei bestand ein Modul aus zwei Phasen: Selbstständiges Aneignen von Grundlagenwissen (asynchroner Teil) durch die Studierenden und anschließende Wissensvertiefung (synchroner Teil) in einem synchronen Meeting, welches wöchentlich stattfand. Module dieser Art wurden zu unterschiedlichen Themenschwerpunkten aneinandergereiht. Während im ersten Teil die eigenständige Erarbeitung im Vordergrund stand, sollte im zweiten Teil das erlernte Wissen gemeinsam diskutiert und weiter vertieft werden. Diese Vorgehensweise nutzt die Vorteile von asynchronen und synchronen Phasen jeweils gut aus und verringert die Nachteile einer einseitigen Kursgestaltung. Professorin Peukert verfolgte dabei folgendes Ziel:

Ich möchte Studierende für theoretische und empirische Fragen von Geschlechterdifferenzierung und Geschlechterungleichheiten begeistern und in der Vorlesung interaktiv diese Themen vertiefen und diskutieren. Um zeitliche Freiräume zum gemeinsamen Nachdenken, Fragen und Diskutieren zu haben, nutze ich das Konzept des Flipped Classroom.

Die grundlegende Wissensaneignung durch die Studierenden fand asynchron statt. Je nach Themenschwerpunkt wurden dazu Leitfragen („Vorbereitungsfragen“) vom Lehrteam vorgegeben und Lernmaterialien über einen OpenOlat Kurs zur Verfügung gestellt. Den Startschuss für jeden thematischen Block gab eine wöchentliche Mail des Lehrteams, welche die Leitfragen vorgab und motivierte, die Lehrmaterialien präsentierte und Hinweise zur Organisation gab. Die Lernmaterialien bestanden aus Grundlagentexten als Pflichtlektüre, Videos (auch überwiegend selbst erstellt) als auch bereits bestehende digitale Formate wie Open Educational Resources (OERs), Blogs, Podcasts und Videos. (Hier ein besonders gelungenes Lehrvideo aus dem Projekt). Zusätzlich wurden weiterführende Medien angeboten.

Regelmäßig gab es zu Beginn eines neuen Themas ein kürzeres Video von Professorin Peukert vorab, welches das Thema sowie die Vorbereitungsfragen motivierte. Die Leitfragen sollten die Arbeit mit den Lernmaterialien fokussieren. Zum Austausch über die Materialien sowie die Leitfragen wurden Foren bereitgestellt und moderiert. Hier konnten Studierende sich untereinander und mit der Lehrenden austauschen. Studierende wurden ausdrücklich dazu ermutigt, sich während des Prozesses der Wissensaneignung untereinander auszutauschen und gegenseitige Hilfestellungen zu geben. Folgendes Bild aus OpenOlat veranschaulicht einen Teil der Kursorganisation in OpenOlat. Ein Screenshot vom OpenOlat Kurs "Einführung in die Genderforschung"

Die Wissensvertiefung geschah nach einer Woche der Wissensaneignung im Rahmen eines synchronen Formats. Dazu wurde ein Zoom-Meeting durchgeführt. Diese 90-minütigen Sitzungen begannen zunächst mit einem kurzen Input von Professorin Peukert zum aktuellen Thema. Im Anschluss gab es zur Selbstkontrolle einen kurzen Test für alle, um Feedback über den Wissensstand zu bekommen. Dazu wurden Audience-Response-Systeme (ARS) genutzt, welche insbesondere in digitalen Settings auch die Partizipation der Studierenden erhöhen können. Danach wurden die erarbeiteten Antworten auf die Leitfragen aus der Phase der Wissensaneignung in Breakout-Kleingruppen diskutiert. Im Anschluss wurden die Ergebnisse gemeinsam zusammengefasst und – falls notwendig – ergänzt, wobei die abschließenden Ergebnisse der Sitzung für eine spätere Nutzung gesichert wurden. Dieses Vorgehen innerhalb des synchronen Meetings wiederholte sich anschließend mit einem Fokus auf andere Leitfragen erneut: Input der Lehrenden, Klärung von Verständnisfragen, Austausch in Kleingruppen zu einer weiteren Vorbereitungsfrage und gemeinsame Ergebnissicherung. Abschließend wurden noch verbliebene Fragen geklärt, das Thema zusammengefasst sowie ggf. ein weiterer vertiefender Input gegeben, wobei im exakten Ablauf des jeweiligen synchronen Meetings ein gewisser Grad an (thematisch bedingter) Flexibilität besteht. Diese Vorgehensweise schafft Raum, um auf die Bedürfnisse der jeweiligen Lerngruppe eingehen zu können. Die Dozentin blieb anschließend noch für mindestens 15 Minuten im Zoom-Meeting, um für mögliche Einzelfragen von Studierenden ansprechbar zu sein.

Ein Kursbestandteil war außerdem die Beschäftigung mit dem Verfassen von wissenschaftlichen Essays. Auch hierzu gab es einen Input und die Studierenden konnten das Gelernte noch vor der Prüfungsleistung in einer Schreibwoche anwenden. Studierende gaben sich gegenseitig angeleitetes Peer-Feedback auf die produzierten Essays.

Auch die abschließende Prüfungsleistung folgt einem konsequent lernendenzentrierten Konzept. Die 2-stündige Prüfung besteht aus drei Teilen: einem Teil mit Multiple-Choice-Fragen (ca. 25% der Gesamtpunktzahl), einem Teil mit offenen Fragen (ca. 35%) sowie einer Essayfrage (ca. 40%). Diese drei Frageformen finden sich in der Veranstaltung wieder und sind Studierenden somit bekannt. Diese Verbindung über Frageformate zwischen Studien- und Prüfungsleistungen hinweg stellen wir hier näher vor. Die Lernsituation ist folglich systematisch mit der Prüfungssituation verknüpft.

Die Studierenden hatten offensichtlich große Freude an der Veranstaltung und profitierten von dem durchdachten Konzept. Die Nominierung für den Lehrpreis durch die Studierenden war somit ein tolles Feedback für das Lehrteam. Aktuell läuft die Vorschlagsphase zum Hamburger Lehrpreis 2022. Mehr Infos dazu gibt es hier. Studierende können jetzt noch ähnlich gelungene Beispiele für innovative und lernendenzentrierte Lehre wie die von Professorin Peukert vorschlagen.