Zusammenfassung

Dieser Blogartikel informiert über digitale Barrieren und Lösungsansätze für eine gute Zugänglichkeit von Lerninhalten. Ausgehend von verbreiteten Einschränkungen und Anforderungen kognitiver Vielfalt, erklärt der Beitrag, wie Inhalte sich zugänglich gestalten lassen. Es werden einige Ressourcen vorgestellt, die bei der Erstellung barrierearmer Inhalte helfen.

Während digitale Angebote von privaten Unternehmen erst ab Ende Juni 2025 barrierefrei sein müssen, steht der öffentliche Sektor schon seit 2018 in der Pflicht. Doch wie können Lehrende digitale Barrieren abbauen und welche Tools und Quellen stehen uns zur Verfügung?

Rechtsgrundlage und Handlungsbedarf

Für Hochschulen als Organisationen des öffentlichen Sektors gilt die bereits 2016 erlassene EU-Richtlinie 2016/2102 über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen. Diese wurde 2018 in nationales Recht umgesetzt, über den §12a des Behindertengleichstellungsgesetzes zur barrierefreien Informationstechnik (BGG). Ergänzt wird das BGG durch die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0). Auf Landesebene gilt der § 11 HmbBGG – Hamburgisches Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen. Umgesetzt wird das Gesetz in Hamburg von der Überwachungsstelle für Barrierefreiheit von Informationstechnik.

Konkret bedeutet das unter anderem,

  • dass bei Webauftritten eine Erklärung zur Barrierefreiheit vorhanden sein muss und
  • Intranet, mobile Anwendungen sowie PDF Dateien barrierefrei zugänglich sein müssen.
  • In Deutscher Gebärdensprache und in leichter Sprache müssen auf der Startseite des Webauftritts wesentliche Informationen zur Verfügung stehen.

Unabhängig davon sollten Sie sich bemühen, auch Ihre Lehrinhalte möglichst für Alle zugänglich zu gestalten.

Auf dem Kommunikations- und Serviceportal der UHH werden die gesetzlichen Grundlagen für die Barrierefreiheit genauer erläutert.

An der Uni Hamburg ist das Team Digitale Barrierefreiheit der Ansprechpartner zu dem Thema.

Einschränkungen und Bedürfnisse

Bei der Planung von Gebäuden und Räumen sind Mobilitätseinschränkungen zu beachten, um möglichst allen Personen den physischen Zugang zu ermöglichen. Bei der digitalen Barrierefreiheit – oder treffender: Barrierearmut – geht es stattdessen darum, den Zugang zu Informationen sicherzustellen.

Der Zugang kann erschwert werden

  • in der Informationsaufnahme durch Seh- oder durch Hörbehinderungen oder
  • in der Informationsverarbeitung durch Neurodiversität, also durch neurologische oder kognitive Unterschiede wie beispielsweise Autismus oder Lese-Rechtschreib-Schwäche.

Sehbehinderten Menschen helfen eine kontrastreiche Darstellung, korrekt strukturierte und formatierte Texte, damit Screenreader diese wiedergeben können, sowie Audiodeskriptionen. Da Sehbehinderungen verschiedene Formen haben können, sind hier verschiedene Maßnahmen sinnvoll. Eine gut lesbare Schriftgröße sowie ein ausreichender Zeilenabstand und die Möglichkeit, die Darstellung von Texten individuell anzupassen, hilft Menschen mit eingeschränkter Sicht.

Für hörbehinderte Menschen können wir Barrieren abbauen, indem wir gesprochenen Text in geschriebener Form zur Verfügung stellen. Dies kann durch Untertitelung oder Transkription erfolgen. Die Deutsche Gebärdensprache ist für viele Menschen die Muttersprache und die gesprochene Sprache, auch in Textform, eine Fremdsprache. Daher ist es wichtig, möglichst viele Inhalte auch in Gebärdensprache zur Verfügung zu stellen, denn alleine eine Verschriftlichung von Lautsprache gewährleistet noch keine optimale Zugänglichkeit. Da auch Hörbehinderungen in verschiedenen Formen auftreten, sollten Sie beim Sprechen auf eine klare Aussprache und eine ausreichende Lautstärke achten.

Neurodiversität bezeichnet die natürliche Vielfalt der Menschen hinsichtlich ihrer Kognition – also etwa ihrer Aufmerksamkeit, ihrer Informationswahrnehmung und ihres Gedächtnisses. Neurodiversität umfasst auch individuelle Merkmale wie beispielsweise Lernschwächen (Dyslexie oder Dyskalkulie) oder Autismus-Spektrum-Störungen. Um der Neurodiversität der Menschen entgegenzukommen, bewährt es sich, Informationen klar zu strukturieren, in möglichst einfacher Sprache zu kommunizieren und diverse Darstellungsformen anzubieten.

Einschränkungen

Abbaumöglichkeiten für Barrieren

Sehbehinderungen

Kontrastreiche Darstellung

Ausreichende Schriftgröße und Abstände

Ermöglichen der Nutzung von Screenreadern

Audiodeskriptionen

Hörbehinderungen Gesprochenen Text geschrieben zur Verfügung stellen

Übersetzung in Deutsche Gebärdensprache

Untertitel und Transkription

Klare Aussprache

Ausreichende Lautstärke

Neurodiversität Nutzung von einfacher und leichter Sprache

Klare Gestaltung und Struktur

auf das Wesentliche reduzierte Darstellung mit individuellen Anpassungsmöglichkeiten (z.B. Schriftgröße, Kontraste)

Darstellung derselben Inhalte in verschiedenen Medienformen

Darauf sollten Sie achten

Wir können besonders in den folgenden Bereichen darauf achten, Inhalte möglichst barrierearm zu gestalten:

Textformatierung

Achten Sie beim Erstellen von PDFs und bei Online-Angeboten für den Browser (etwa in Openolat) darauf, Überschriften, Listen, Absätze und Tabellen sauber zu formatieren. So ermöglichen Sie Hilfstechnologien wie Screenreadern, die Struktur und die Textabschnitte richtig zu erfassen und wiederzugeben.

Nutzen Sie für die Formatierung  die dafür vorgesehenen Schaltflächen und Auswahlmenüs. Falsch wäre es dagegen, Überschriften lediglich als gefetteten Text darzustellen oder Listen nur mithilfe von Spiegelstrichen. Absätze sollten Sie mit der Eingabetaste erzeugen, nicht mit mehreren Zeilenumbrüchen; verzichten Sie auf Leerzeilen.

Abbildung von Schaltflächen für Listen und Überschriften in der Software Word

Abbildung von Schaltflächen für Listen und Überschriften in der Software Word

Sofern Überschriften unterschiedlicher Ordnungsebenen einen Text strukturieren, muss eine stringente Hierarchie gegeben sein. Einzelne Hierarchie-Ebenen sollen nicht ausgelassen werden. Gibt es beispielsweise ausschließlich Überschriften der 2. und der 4. Ordnung, dann fehlen Überschriften der 1. und der 3. Ordnung.

PDFs sollten Sie stets so gestalten, dass Text als solcher digital vorliegt. Kritisch sind eingescannte Texte. Sie müssen sicherstellen, dass Text nicht nur optisch lesbar ist, sondern maschinell durchsucht werden kann.

Bildformatierung

Damit die Informationen, die in Abbildungen enthalten sind, auch für Menschen mit Sehbehinderungen zugänglich sind, sollte Alternativtext hinzugefügt werden. Alternativtext sollte alle inhaltlich relevanten Informationen einer Abbildung oder Infografik enthalten. Rein dekorative Grafiken sind hiervon ausgenommen.

Abbildung des HTML-Editors in dem Kursbaustein "Einzelne Seite" auf der Plattform Openolat. Die Schaltfläche für das Einfügen eines Bildes und das Textfeld für das Einfügen einer Alternativen Beschreibung sind in der Abbildung gelb markiert.

Wenn Sie im Kursbaustein „Einzelne Seite“ von Openolat ein Bild einfügen, sollten Sie eine „Alternative Beschreibung“ in das Textfeld eingeben.

Auch wenn im Texteditor keine explizite Funktion zu Alternativtext vorhanden ist, sollten Informationen, die auf Grafiken transportiert werden, auch über Text verfügbar sein.

Auf der Plattform OpenOlat im Kursbaustein „Einzelne Seite“ lässt sich im Feld „Alternative Beschreibung“ beim Einfügen einer Grafik ein Alternativtext hinzufügen. Auch auf der Plattform Moodle gibt es die Möglichkeit, Bilder mit Alternativtext zu versehen.

Das Eingabefeld für einen Alternativtext erscheint bei Moodle beim Einfügen einer Bilddatei.

Werden wichtige Informationen über eine Bilddatei transportiert, lässt sich bei Moodle ein Alternativtext hinzufügen. Ist das Bild lediglich dekorativ, kann auch das vermerkt werden.

Audio und Video

Abbildung der Schaltfläche "Untertitel" auf Lecture2Go

Auf Lecture2Go ist die Funktion zur Untertitelung unter Mein L2Go -> Videos zu finden.

Gesprochene Informationen in Videos können zugänglicher gemacht werden, indem dem Video Untertitel hinzugefügt werden. Auf der Lernplattform Lecture2Go gibt es die Möglichkeit, Untertitel automatisch generieren zu lassen. Da die automatische Untertitelung Fehler enthalten kann, ist eine Überprüfung und Korrektur möglich und anzuraten.

Abbildung der Schaltfläche "Automatische Untertitelung" auf Lecture2Go

Die Schaltfläche „Automatische Untertitelung“ auf Lecture2Go ist unter dem manuellen Eingabefeld für Untertitel zu finden.

Wenn durch die Untertitelung der Inhalt der Videos sowieso schon als Text vorliegt, bietet es sich auch an, ein Transkript als Textdatei zur Verfügung zu stellen. Auch bei Podcastformaten sollten Sie den Inhalt in Textform zur Verfügung stellen. Werden in Videos Inhalte visuell vermittelt, sollte eine Audiodeskription vorliegen.

Inhalte generell: Bei Texten, bei denen drauf geachtet wird, nicht zu komplex zu schreiben, wird zwischen leichter Sprache und einfacher Sprache unterschieden. Die leichte Sprache hat ein klares Regelwerk, das von Inclusion Europe festgelegt wurde. Diese Regeln wurden im Rahmen des Projekts „Pathways – Wege zur Erwachsenen-Bildung von Menschen mit Lernschwierigkeiten“ erarbeitet. Einfache Sprache ist dagegen ein weiter gefasster Begriff und umfasst klar strukturierte, einfach formulierte Information ohne dass unnötig viele Fachbegriffe verwendet werden.

Digitale Tools

Hier eine kleine Auswahl an Tools, die bei der Gestaltung barrierearmer Medien helfen können:

  • Das Open Source Text to Speech Tool Coqui TTS eignet sich dafür, geschriebenen Text mithilfe von KI in Audioformat umzuwandeln.
  • Umgekehrt wandelt die Anwendung Amberscript Audioformate in Text um. Mithilfe dieser beiden Anwendungen können Sie Informationen sowohl als Audio als auch als Text vermitteln.
  • In UHHGPT können Sie die Modelle GPT4 omni und GPT4 omni mini nutzen. Über Academic Cloud kann die ChatAI-Anwendung der Georg-August-Universität Göttingen genutzt werden. Diese Large-Language-Modelle eignen sich dafür, Text umzuschreiben, um Barrieren abzubauen.
  • Um die Darstellung von Texten an unterschiedliche Bedürfnisse anzupassen eignet sich die Anwendung Tailo, welche es Studierenden erlaubt, Texte audiovisuell und inhaltlich zu individualisieren.
  • Diverse KI-Anwendungen können gesprochene Sprache automatisch in Gebärdensprache übersetzen und durch Avatare darstellen. Diese sind jedoch in der Gehörlosencommunity umstritten. Die Avatare zeichnen sich momentan noch durch mechanische Bewegungen, unzureichende Mimik und inkorrekte Lippen- und Zungenbewegungen aus. Der Avatar-basierte Sprachassistent zur automatisierten Gebärdenübersetzung (AVASAG) wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert und ist ein Beispiel für solch ein KI-unterstütztes Projekt.

Wichtig ist, die Ergebnisse dieser Tools immer zu überprüfen. Während Fortschritte in KI-Technologien viele neue Möglichkeiten eröffnen, bleibt ein eigenes, grundlegendes Wissen über die diversen Bedürfnisse der Nutzenden wichtig, um Korrekturen vornehmen zu können.

Weitere Ressourcen

FAQ Digitale Barrierefreiheit vom Team Digitale Barrierefreiheit des Referats 22 mit detaillierten Infos zum Handlungsbedarf und pragmatischen Umsetzungstipps für Ihre Medien.

Digitale Barrierefreiheit an der UHH – Umfassende Themenseite mit zahlreichen Verweisen auf Ressourcen

Leitfaden zur Digitalen Barrierefreiheit im Hochschulkontext (PDF) – von Bender/Dreiack/Engels u.a., Arbeitspapier Nr. 66 vom Hochschulforum Digitalisierung

Tutorial zum Einsatz der Live-Untertitelung in ZOOM – Video auf lecture2go

Videos für Lehrende zum Thema Lehre inklusiv – vom Büro für die Belange von Studierenden mit Behinderungen oder chronischen Krankheiten

Barrierefreiheit in Word Dokumenten – Video auf lecture2go