Welche digitalen Kompetenzen wollen Lehrende aktuell am Dringensten erwerben, und welche vermitteln sie an die Studierenden? Wie könnte sich das Lehrangebot verändern, wenn mehr grundlegende Kompetenzen bereits vorhanden sind? Und wie nehmen Lehrende eigentlich die Auswirkungen generativer künstlicher Intelligenz auf Lehre und Prüfungen wahr? Wir haben die Lehrenden der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften befragt, und neben spannenden Erkenntnissen auch festgestellt: Lehre, die mit dem Puls der Zeit mithalten kann, braucht vor allem eins: Zeit für die eigene Weiterbildung, für das Überarbeiten von Lehrmaterialien, und für das Austesten in den eigenen Lehrveranstaltungen.

Digitale Innovationen prägen auch die Hochschulbildung. Wenngleich uns zuletzt die Auswirkungen einiger Innovationen auf Prüfungsformate beschäftigt haben, haben digitale Kompetenzen in der Lehre doch wesentlich breitere Berührungspunkte und bieten auch eine Chance für gemeinsames Lernen und kollaborative Wissensschaffung. Insbesondere im Bereich der generativen Künstlichen Intelligenz (gKI) bringen Studierende und Lehrende unterschiedliches Vorwissen und unterschiedliche Kompetenzen mit. Wir wollen diese Vielfalt an Wissen und Fähigkeiten gewinnbringend miteinander verknüpfen. Lehrende sind hier Multiplikator*innen, die nicht nur neues Wissen vermitteln, sondern auch bestehendes Wissen binden, erweitern und integrieren können.

In Zusammenarbeit mit der AG Digitale Lehre hat das Büro für Digitalisierung in der Lehre der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften eine Umfrage initiiert, die im Frühjahr 2024 vom Studiendekanat versendet wurde. Die Umfrage richtete sich an Lehrende der Fakultät und befasste sich sowohl mit den Anforderungen der Lehrenden an die digitalen Kompetenzen der Studierenden als auch mit den eigenen Bedarfen im Erlernen und Vertiefen dieser Kompetenzen. Die Rückmeldungen aus der Umfrage sollen dazu beitragen, das Angebot des Büros für Digitale Lehre effektiver auf die Bedürfnisse der Lehrenden zuzuschneiden.

Im Mai und Juni 2024 wurden circa 320 Lehrende angeschrieben und insgesamt 87 Antworten gesammelt, 47 davon vollständig ausgefüllt. Die Befragten setzten sich aus 19 Professor*innen, 7 PostDocs, 15 PhDs und 4 WiMis ohne Promotion zusammen, die in den Fachgebieten Sozialökonomie (27), Sozialwissenschaften (17) und Volkswirtschaftslehre (1) angestellt sind.

Bei den geplanten Lehrformaten für das kommende Semester überwogen Seminare deutlich (65.96%), gefolgt von Vorlesungen (46.81%), Übungen (19.15%), Projektseminaren (12.77%) und Kolloquien (6.38%). Thematisch werden vor allem qualitative und quantitative Methoden und Statistik gelehrt sowie Themen entsprechend der jeweiligen Fachgebiete – von KI im Wahlkampf über Innovation Management bin hin zu Mobile Reporting ist alles dabei.

Während es unser Hauptanliegen ist, Angebote für Lehrende zu entwickeln, wollten wir auch wissen, in welchem Kontext diese stehen. Die Umfrage beinhaltete verschiedene Frageblöcke, darunter zu den Erwartungen an Studierende, zur Vermittlung von digitalen Kompetenzen, Auswirkungen von generativer Künstlicher Intelligenz auf die Lehre und Prüfungen der Studierenden sowie die eigenen Bedarfe der Lehrenden an digitalen Kompetenzen.

Erwartungen an Studierende

Gestapeltes Balkendiagramm, das zeigt, welche digitalen Kompetenzen Studierende aus Perspektive der Lehrenden bereits mitbringen sollen.

Lehrende erwarten also, dass Studierende bereits über grundlegende Kompetenzen im allgemeinen Umgang mit Computern und Anwendungen für Texte, Layout oder Präsentationen sowie in der digitalen Literaturverwaltung verfügen. Sie nennen insbesondere Anwendungen wie OpenOlat und Stine sowie das Zurechtfinden im Dateiensystem des eigenen PCs. Während teilweise Frustration über fehlende Kompetenzen hörbar ist, gibt es jedoch auch positive Perspektiven auf die Fähigkeiten der Studierenden:

„[D]ie Studierenden weisen hohe Kompetenzen auf und haben dabei eine breite Kompetenzenpalette, die bei Bedarf präzisiert und vertieft wird.“

Auf der anderen Seite setzen Lehrende Kompetenzen im Umgang mit Entwicklungsumgebungen, Programmierung sowie Forschungs- und Statistiksoftware am wenigsten voraus – diese werden dann teilweise in der Lehre vermittelt, wie sich in der Folgefrage zeigt.

Vermittlung an Studierende

Gestapeltes Balkendiagramm, das zeigt, welche digitalen Kompetenzen Lehrende vermitteln.

In Bezug auf die Vermittlung von digitalen Kompetenzen an Studierende zeigt die Umfrage, dass einige wenige Lehrende einen Fokus auf Statistiksoftware, Programmierung, Data Literacy und den Umgang mit Künstlicher Intelligenz legen. Allerdings gaben insgesamt nur wenige Lehrende an, diese Themen zu vermitteln – vor allem eben jene, die quantitative Methoden oder vertiefende algorithmische Verfahren lehren. Außerhalb dieser Lehrveranstaltungen finden diese Fähigkeiten kaum Platz: Die meisten Lehrenden vermitteln insbesondere kein Wissen zu Entwicklungsumgebungen und Programmierung. Die Schere zwischen denen, die diese Kompetenzen vermitteln und jenen, die das nicht übernehmen, ist hier am Größten. Ergänzende digitale Kompetenzen, die Lehrende vermitteln, liegen im Bereich der Erstellung von Video/Audio-Inhalten und digitaler Ethik.

Gewinn für die Lehre

Interessant ist auch, wie sich das Lehrangebot verändern könnte, wenn Studierende bereits über spezifische digitale Kompetenzen verfügen würden. Einige Lehrende, die generell nicht viel der abgefragten digitale Kompetenzen vermitteln, würden wenig an ihrem Angebot anpassen. Andere sehen durchaus Zeitersparnisse bei der Vermittlung von Grundlagen (sowohl im Programmieren als auch in den grundlegenden Fähigkeiten im Umgang mit dem eigenen PC und Studiensoftware). Ein weiterer Gewinn wäre die Möglichkeit, tiefer in Datenanalyse einzutauchen und ein breiteres Spektrum an Methoden für die Datenanalyse auszuprobieren, einschließlich mehr Machine Learning. Auch würden einige Lehrende gerne mehr Fokus auf analytische Fähigkeiten legen oder Studierende dazu ermutigen, eigene (Produkt-)Entwicklungen und Forschungsvorhaben voranzutreiben, anstatt sich in der Lehre auf die Anwendung von Programmen zu konzentrieren. Insbesondere die unterschiedlichen Kompetenzniveaus der Studierenden sind eine Herausforderung:

„Die Studierenden im MA sind heterogen, deshalb muss ich immer Angebote für unterschiedliche Niveaus machen. Ich könnte fortgeschrittenere Methoden vertieft vermitteln, wenn ich mehr voraussetzen könnte.“

Bedarfe der Lehrenden

Damit digitale Kompetenzen an Studierende vermittelt werden können, müssen die Lehrenden selbst sicher im Umgang mit den entsprechenden Anwendungen und Themen sein. Wir sehen hier ein breites Interesse der Lehrenden an der Erweiterung ihrer Fähigkeiten. Insbesondere der Umgang mit generativer Künstlicher Intelligenz (gKI) stach mit 59.57% als ein Bereich hervor, in dem die Lehrenden ihre Kenntnisse vertiefen möchten. Im Speziellen möchten Lehrende ihre Fähigkeiten im Prompten verbessern, aber auch rechtliche Aspekte, konkrete Anwendungsbeispiele und die Erkennung von KI-generierten Texten sind ihnen wichtig. Auch das Thema Programmieren wurde von 31.91% der Befragten als Bereich genannt, in dem sie ihre Fähigkeiten erweitern wollen. Hier werden vor allem R und Python genannt.

Neben technischen Kompetenzen liegt den Lehrenden auch die Erweiterung ihres didaktischen Repertoires am Herzen. Konkret wurde das Interesse an unkonventionellen Lehrformaten und an der Verbesserung von Präsentationen, wie beispielsweise PowerPoints oder alternativen Präsentationsformen, deutlich.

Ein Balkendiagramm, das anzeigt, welche Kompetenzen Lehrende für ihre Lehre selbst noch erwerben möchten.

Aber auch in Bezug auf ihre eigene Forschung haben Lehrende vielfältige Bedürfnisse hinsichtlich der Erweiterung ihrer digitalen Kompetenzen. Einige der genannten Schwerpunkte waren die Nutzung von gKI für Forschungsaufgaben, Einstiege ins Programmieren mit Low-Code-Umgebungen und komplexere Programmierung, die Verwendung von Programmen zur räumlichen Darstellung von Daten sowie Auswertungsmethoden komplexer Datensätze im Bereich Data Science.

Auch nach dem Format, in dem Lehrende ihre Kompetenzen gerne erweitern möchten, haben wir gefragt. Workshops waren hier durchgehend am gefragtesten. Jedoch zeigt sich auch, dass das Erlernen der erwünschten Kompetenzen gar nicht so einfach ist:

 

„[D]as Problem sind aber weniger fehlende Lehrangebote als fehlende Zeit.“

Generative KI in Lehre und Studium

Da das Thema aktuell in aller Munde ist, wollten wir etwas detailliertere Meinungen zu gKI sammeln. Lehrende bewerten die Auswirkungen von gKI auf Lehre und Prüfungen in der Umfrage unterschiedlich. In Bezug auf die Lehre gab es eine Vielfalt an Meinungen: einige Lehrende sahen kaum Auswirkungen durch gKI, während andere Bedenken äußerten. Insbesondere wurde die Gefährdung der Chancengleichheit und ein potenziell erhöhter Abstimmungsbedarf aufgrund des Einsatzes von gKI in der Lehre benannt. Gleichzeitig wurde die Möglichkeit erwähnt, dass gKI bei der Planung und Erstellung von Lehrmaterialien unterstützend wirkt und so auch die Lehre bereichert.

Ein Balkendiagramm, das anzeigt, welche unterschiedlichen Auswrikungen gKI auf die Lehre hat.

Im Hinblick auf Prüfungen sehen Lehrende, dass Prüfungsformate angepasst werden müssen. Einige Lehrende äußerten Bedenken hinsichtlich der Eigenständigkeit von studentischen Leistungen, wenn gKI in den Prüfungsprozess involviert ist. Auch der Wert bestimmter Prüfungsformate generell wurde in Frage gestellt, und Lehrende wiesen wiederholt darauf hin, dass es wichtig ist, Studierenden einen kritischen Umgang mit gKI zu vermitteln.

Jupyter Notebooks in der Lehre

Zu guter Letzt wollten wir noch Wissen über ein spezifisches Angebot abfragen, das im Rahmen des DDLitLabs empfohlen und von der MIN-Fakultät zur Verfügung gestellt wird. Jupyter Notebooks sind interaktive Dokumente, die Quellcode, Gleichungen, Visualisierungen und Text kombinieren. Besonders für die Vermittlung von Programmierkenntnissen und Datenanalyse bieten sie eine leicht zugängliche Umgebung: Diese Notebooks unterstützen verschiedene Programmiersprachen und funktionieren direkt im Webbrowser, ohne zusätzliche Software-Installation. Dennoch wissen nur knapp 15% der Befragten von diesem Angebot und lediglich 8% nutzen es. Interesse besteht jedoch: Knapp 18% der Befragten wollen Jupyter Notebooks in der Zukunft nutzen.

Fazit

Unsere Umfrage hat gezeigt, dass Lehrende keine allzu hohen Erwartungen an die digitalen Kompetenzen von Studierenden haben. Dennoch wird solides Grundlagenwissen im Umgang mit dem eigenen PC und Standardanwendungen als hilfreich empfunden. Besonders in späteren Semestern stellt das heterogene Kompetenzniveau der Studierenden eine Herausforderung dar.

In der Anwendungslehre werden hauptsächlich Statistiksoftware, grundlegende Programmierkenntnisse und Data Literacy vermittelt. Insgesamt konnte unsere Umfrage jedoch nur eine geringe Vermittlung digitaler Kompetenzen dokumentieren.

Lehrende haben den Wunsch, sich in den Bereichen gKI und Programmierung weiterzubilden, kämpfen jedoch mit Zeitmangel. Die Meinungen zu gKI sind gemischt, und wir sehen Potenzial darin, Jupyter Notebooks stärker hochschulintern zu bewerben, da sie wertvolle Werkzeuge für die Vermittlung von Programmierkenntnissen und Datenanalyse darstellen.

Im Folgenden werden wir Angebote entwickeln, die diesen Bedarfen der Lehrenden bestmöglich gerecht werden. Wir bedanken uns bei allen Befragten für die Teilnahme und stehen für weitere Ideen und Fragen per Mail zur Verfügung.