Wer soll da den Überblick behalten? In diesem Blogbeitrag finden Sie neben grundsätzlichen Empfehlungen für die Lehre im Wintersemester 2021/22 konkrete Anregungen für die Gestaltung von Seminaren (15 bis 30 Studierende). Wir zeigen Möglichkeiten auf, verschiedene Formate lernzielgerecht einzusetzen und flexibel zu kombinieren.
Wenn die letzten drei Semester im Modus des “emergency remote teaching” uns eines gezeigt haben, dann das: Wer Neues ausprobiert, macht Fehler und darf sich unsicher fühlen. Kommen Sie daher gerne auf uns zu, um Ihre Ideen – egal in welchem Stadium – zu besprechen. Wir beraten auch in Bezug auf die technische und organisatorische Umsetzung.
Dieser Beitrag ist der zweite Teil unserer Serie zur Vorbereitung der digital gestützten Lehre im Wintersemester 2021/2022. Im ersten Teil hat Simon Bartke einen Blick auf die Änderungen im HmbHG geworfen und eine Prognose für mögliche Konsequenzen für die Lehrpraxis gewagt. Im dritten Teil wird Heiko Witt aufzeigen, wie hybride Lehre an der WiSo-Fakultät technisch umgesetzt werden kann.
Warum nicht einfach zurück zur Lehre in “Präsenz only” (sofern möglich)?
Präsenzlehre ist wichtig. Das Zusammenkommen im physischen Raum ermöglicht einen lebendigen Austausch, es sorgt für kritische Diskursivität und vermittelt ein Gefühl sozialer Gemeinschaft. So schnell wie möglich sollte die Universität Hamburg wieder zu einem solchen Ort der zwischenmenschlichen Begegnungen werden.
In der Lehre ist Präsenz gut, aber nicht automatisch besser. Der Einsatz unterschiedlicher Lehr-Lernformate führt zu differenzierten Lernerfahrungen. Vielfalt in der Vermittlung unterstützt nachweislich den Lernerfolg und jede Organisationsform bringt Vorteile für bestimmte Gruppen von Studierenden mit sich (zum Beispiel für Nicht-Muttersprachler’innen, Berufstätige, Eltern).
Und auch in diesem Wintersemester werden wir damit rechnen müssen, dass einzelne Studierende pandemiebedingt ungeplant nicht an allen Präsenzsitzungen teilnehmen können (aufgrund von Quarantäne, Erkrankung etc.).
Dabei gilt jedoch: Lernziele first, Format/Tool second. Für die intensive Arbeit an und mit komplexen Inhalten gibt es beispielsweise gute Gründe, dass Studierende dies alleine in einer selbst gewählten, konzentrationsfördernder Lernumgebung tun. Dank digitaler Tools und mit klarem Arbeitsauftrag klappt selbst kollaboratives Arbeiten online und Ergebnisse werden ganz nebenbei schriftlich gesichert.
Ok, dann plane ich “online only”
Für viele Veranstaltungen wird dies auch im Wintersemester 2021/22 wohl der Fall sein. Bei der Entscheidung, welche Veranstaltungen in (Teil-)Präsenz stattfinden, könnten die Fachbereiche gemeinsam mit der Lehrplanung folgende Kriterien anlegen:
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Vorlesungen eignen sich für “online only” – sie sind überwiegend frontal ausgerichtet, interaktive Elemente wie Abstimmungen erfolgen sowieso digital gestützt und die Aufzeichnung bietet den Studierenden zeitliche und räumliche Flexibilität und aufgrund der inhaltlichen Dichte einen echten Mehrwert in der Prüfungsvorbereitung. Große Gruppen sind unter den derzeitigen Auflagen zudem besonders schwer unterzubringen.
- Seminare eignen sich für “blended”-Formate – einen kreativen Mix aus Präsenz und online, aus synchron und asynchron. Hier lohnt sich, das Format sitzungsweise nach dem jeweiligen Ziel (z.B. Diskussion -> Präsenz, Inhalte erarbeiten -> online) zu wählen.
- Die Zielgruppe im Blick haben: Studienanfänger’innen sind besonders darauf angewiesen, ihre Universität von innen zu sehen. Fortgeschrittene Semester könnten von Co-Learning-Angeboten profitieren, also der Möglichkeit, physisch einen Raum zu teilen, aber dabei nicht unbedingt auch an derselben Online-Veranstaltung teilzunehmen oder in physischer Ko-Präsenz an derselben Online-Veranstaltung.
- Auch die Lehrperson gehört zur Zielgruppe. Wer sich mit dem jeweiligen Format identifizieren kann, wird dessen Potential eher ausschöpfen. Die Wünsche der Lehrenden sind daher ein wichtiges, aber nicht das einzige Kriterium.
Ist hybride Lehre die optimale Lösung?
Unter “hybrider Lehre” wird meist die gleichzeitige Einbindung von Lernenden im physischen wie im digitalen Raum verstanden. Heißt: Ein Teil der Studierenden ist in Präsenz, ein Teil virtuell anwesend. Die Formulierung “Einbindung” zeigt, worin die Schwierigkeit besteht: Es ist nicht trivial, allen Teilnehmenden eines Seminars raumübergreifend eine gleichwertige Lernerfahrung zu bieten. Einige sprechen bei hybrider Lehre daher von “Dual Mode Teaching”: Die Lehrperson muss didaktisch und organisatorisch zwei Teilgruppen gleichzeitig im Blick haben.
Das kostet Ressourcen. Mögliche Lösungen können sein: Lehr-Tandems bilden. Tutor’innen einbinden. So oder so: Hybride Lehre bedeutet einen höheren Aufwand, mindestens in der Vorbereitung, meist auch in der Umsetzung. Hybride Sitzungen sollten Sie daher mit Bedacht und keinesfalls als Standardfall planen (Hinweise zur technischen Umsetzung finden Sie hier).
Unsere Empfehlung: Von allem das Beste sinnvoll kombiniert („blended learning“)
Angesichts der vielen Unbekannten für das kommende Wintersemester plädieren wir für eine sitzungsweise Planung, bei der verschiedene Sitzungstypen als Kombination aus didaktischer Funktion und Format flexibel eingesetzt werden.
Schritt 1: Stellen Sie sich die Frage, welche Funktion die konkrete Sitzung erfüllt und welches Format diesem Ziel am besten gerecht wird:
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Die Studierenden sollen Inhalte erarbeiten oder vertiefen? Sie möchten einen längeren Input geben? Das klappt online sowohl synchron als auch asynchron gut („flipped classroom“-Prinzip).
- Sie wollen das Gelernte besprechen, diskutieren, weiterdenken? Lebhafte mündliche Diskussionen mit spontanen Sprecher’innenwechseln können digitale Tools bisher nicht wirklich überzeugend ermöglichen. Argumente und Positionen vorbereiten kann man indes auch schriftlich, online alleine ebenso wie kollaborativ.
- Die Studierenden sollen sich kennenlernen, es soll eine wertschätzende und offene Lernatmosphäre geschaffen werden? Ein Kick-Off in Präsenz bringt Studierende alleine nicht ins Gespräch und eine Arbeitsgruppe nicht ins Arbeiten. Geeignete didaktische Elemente für Aktivierung und Austausch lassen sich für die Präsenz- ebenso wie für die Onlinelehre finden. Breakout-Sessions sind online schneller organisiert als Kleingruppen in physischen Seminarräumen.
Schritt 2: Kombinieren Sie die Sitzungstypen zu einem Seminarplan mit klarer Struktur:
- In der ersten Hälfte des Seminars steht die Vermittlung von Inhalten im Vordergrund, in der zweiten geht es primär um Diskussion, Transfer oder Projektarbeit? Unterteilen Sie das Semester in zeitliche Abschnitte, für die Sie jeweils das Format festlegen.
- Sie wollen die Vermittlung von Inhalten und deren Diskussion in direktem zeitlichen Bezug umsetzen? Dann führen Sie einen bestimmten Sitzungstyp ein und wiederholen Sie diesen im Semesterverlauf. Ein Beispiel, wie das aussehen kann, finden Sie hier.
- Ihnen geht es darum, die Arbeit der Projektgruppen angemessen zu würdigen? Vielleicht reichen ein oder zwei Sitzungen am Ende des Semesters aus, um das Seminar mit Abschlusspräsentationen in Präsenz zu krönen. Und wer nicht vor Ort sein kann, wird per Videokonferenz dazu geschaltet. Wie sich das technisch realisieren lässt erläutert Heiko Witt hier im eLearning-Blog.
Machen Sie das Format der jeweiligen Sitzung unbedingt im Seminarplan sichtbar. So behalten Sie und die Studierenden den Überblick. Machen Sie sich zudem Gedanken über die digitale Organisation des Kurses. Verwenden Sie OpenOlat für Mitteilungen an alle Studierenden? Oder nutzen Sie dafür lieber StINe oder einen eigenen Mailverteiler?
Egal, wie Sie sich entscheiden: Eine klare Struktur, die rechtzeitig und einheitlich kommuniziert wird und wiederkehrende Elemente mit eingeübten Verhaltensregeln enthält, ist eine gute Voraussetzung für eine erfolgreiche Veranstaltung – insbesondere unter unsicheren äußeren Bedingungen.
Planen Sie Präsenzanteile in Ihrer Lehre?
- Überlegen Sie, wie leicht sich der geplante Sitzungstyp kurzfristig auch online realisieren lässt. Die Diskussion in Präsenz kann notfalls auch nochmal über Zoom stattfinden, gestützt durch eine schriftliche Vorbereitung kommt dieses Diskussionsformat vielleicht sogar introvertierten Studierenden entgegen? Das Referat der Studierenden kann vorab aufgezeichnet werden, das Peer-Feedback schriftlich erfolgen.
- Reflektieren Sie, ob und ggf. wie Sie ein vergleichbares Lernangebot für Studierende schaffen können, die nicht in Präsenz teilnehmen können. In welcher Form können diese Studierenden aktiv eingebunden werden, um nicht zu passiven Teilnehmenden zu werden? Wo liegen die Grenzen für eine Interaktion zwischen Teilnehmenden online und in Präsenz?
Mit Offenheit und Pragmatismus ins Wintersemester
Über allen Planungen für das Wintersemester 2021/22 schwebt die Frage, ob diese auch im Herbst und Winter noch mit den dann geltenden pandemiebedingten Auflagen in Einklang zu bringen sind. In diesem Blogbeitrag haben wir daher versucht, Anregungen für eine didaktisch sinnvolle, gleichzeitig aber ausreichend flexible Seminar- und Lehrplanung zu geben.
Dabei gilt: Bleiben wir realistisch. Planen Sie Ihr Seminar so, dass Sie sich wohl und vor allem sicher fühlen. Es gibt sehr gute Gründe, auch als Lehrperson eine lernende Person zu bleiben. Aber nicht für alle ist eine globale Pandemie der geeignete Zeitpunkt für Experimente. Sagen Sie Bescheid, wie wir Sie in Planung und Umsetzung unterstützen können.
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