Die (generative) Künstliche Intelligenz oder (g)KI ist derzeit in aller Munde als das neueste Phänomen technologischen Fortschritts. In allen Bereichen des Lebens wird über die Anwendung von gKI oder KI diskutiert, so auch in Forschung und Lehre. In diesem Beitrag möchten wir uns genauer mit der Rolle, die der KI in Studium & Lehre zukommen könnte, befassen.

Was ist gKI?

Der Begriff Künstliche Intelligenz ist irreführend. Es handelt sich nicht um ein künstlich simuliertes Bewusstsein, das Interaktionen und Input wahrnimmt und originellen Output generiert, wie es ein Mensch täte. Künstliche Intelligenz in diesem Sinne ist und bleibt Science-Fiction wie der Android Data aus der Serie Star Trek: Das neue Jahrhundert. Wenn wir von realexistierender Künstlicher Intelligenz oder generativer Künstlicher Intelligenz reden, dann meinen wir ein Programm mit einem hochkomplexen Code, der einen riesigen Korpus – eine Ansammlung von Rohdaten – zur Verfügung hat und die Hardware-Kapazität besitzt, diesen Korpus zu verarbeiten. Auf diesen Korpus greift ein KI-Programm zurück, wenn es im Frontend einen Input erhält – beispielsweise, wenn man einen Prompt in das Textfeld von ChatGPT eingibt. Fragt man dieses Programm eine bestimmte Frage, so ist es darauf programmiert, die einzelnen Worte in seinem Korpus aufzusuchen, und es ordnet die nahestehenden Worte in eine von einer Syntax vorgegebenen Struktur an. So kommen ganze, lesbare und für uns wohlgeformte Sätze als Output zustande.

Die besten dieser KI-Programme haben riesige Korpora, die zu allen möglichen Themen Referenzen besitzen und die Programme somit in einer Vielzahl von Feldern responsiv machen, sprich: ihnen wird die Möglichkeit gegeben thematisch akkurat zu antworten. Wenn man ChatGPT also zu aktuell offenen Fragen in der Konfliktforschung befragt, wird es nicht anfangen, beispielsweise über Enten zu reden, sondern Themen auflisten, die laut seinem Korpus zur Konfliktforschung gehören. Ob diese Themen wirklich aktuell diskutiert werden, hängt nicht nur vom Korpus und seinem Alter, seinem Umfang und den Menschen ab, die ihn zusammengestellt haben, sondern auch vom Code der jeweiligen gKI, die die Auflistung der einzelnen Themen vornimmt und dabei entweder sehr präzise ist oder sehr weitläufig auflistet.

Der Nutzen von gKI in Lehre und Studium

Screenshot unesco.org

Die UNESCO hofft, dass KI dabei behilflich sein kann, derzeit bestehende Ungleichheiten in der Bildung zu begradigen, indem es zum Einsatz kommt, wenn andere Ressourcen dünn gestreut sind. Die UNESCO bleibt bei einem so genannten menschenzentrierten Ansatz, bei dem der Mensch im Zentrum bleibt. Das bedeutet, dass KI nicht in einer Weise verwendet werden soll, die den technologischen Abstand zwischen den Nationen und Kulturen weiter vergrößert, sondern schließt. Menschen sollen nicht als Lehrkräfte ersetzt werden. KI soll lediglich verwendet werden, wenn gar keine Lehrkräfte zugegen sein können. Dies sind weltumspannende Ziele, die jedoch die einzelne Lehrkraft an der Universität Hamburg nicht unbedingt berühren. Was also ist der Nutzen von gKI an der UHH?

Die University of San Diego zählt folgende bereits von KI erschlossene Anwendungsbereiche: Plagiatserkennung im Sinne der Erhaltung von Prüfungsintegrität (siehe dazu einen anderen Eintrag in unserem Blog), Chatbots für die Matrikulation, Lern-Management-Systeme, Transkription von Vorlesungen, erweiterte Online-Diskussionsforen, Analyse von Studienerfolgsmetriken, akademische Forschung, und vieles mehr. Nicht alle Anwendungsformen von gKI sind unbedingt so interaktiv wie man es von ChatGPT kennt. Bereits jetzt nehmen Lern-Management-Systeme wie auf OpenOlat oder Ilias den Dozent:innen die Arbeit einer mühsamen wöchentlichen Korrektur von Übungsaufgaben ab. Dabei wird KI zur weiteren Automatisierung dieser Systeme eingesetzt. Auf der Website der USD lässt sich außerdem eine Liste aktueller KI-Tools finden, die in der Lehre einsetzbar sind.

In allen Artikeln und Expertenmeinungen, die von der gKI schwärmen, wird ein Vorteil besonders hervorgehoben: Die Möglichkeit von Lehrpersonen mithilfe generativer KI die Lernangebote ihrer Lernenden zu individualisieren. Soll heißen: Ein hochgradig adaptives Lernangebot für jede einzelne Lerner:in. Dies beinhaltet zudem die Möglichkeit einer Lehrkraft, mehr Zeit und Energie auf Probleme zu verwenden, die eine gKI nicht lösen kann. Ein:e Lerner:in, der oder die besondere Aufmerksamkeit benötigt. Etwas, das zur Zeit nicht in allen Bereichen möglich ist.

Einige Tools für Lehrkräfte

Wie dies im Detail umgesetzt werden könnte, soll im Folgenden erklärt werden: Eine Möglichkeit, eigene Texte in Audio umzuwandeln, ist die Anwendung ElevenLabs. Diese ermöglicht es, Texte in realistisch klingende deutsche Aussprache umzuwandeln, ohne dass ein Abonnement erforderlich ist. Allerdings ist die kostenfreie Anwendung monatlich begrenzt. Mit ElevenLabs kann beispielsweise ein Podcast generiert werden, den Lernende zuhause anhören können.

Für Lehrkräfte, die noch einen Schritt weiter gehen möchten, gibt es Anwendungen wie HeyGen und Synthesia, die es ermöglichen einen Avatar zu generieren, der die Audiospur beziehungsweise den Text vorliest. HeyGen bietet ein kostenfreies Abonnement an und verfügt über deutsche und englische Tonspuren, während Synthesia mindestens 20€ pro Monat kostet.

Für die Erstellung von Präsentationsfolien aus Texten gibt es zwar laut unseren Recherchen keine speziellen Generatoren, die mit Prompts arbeiten, aber viele Präsentationssoftwares integrieren KI-Programme, die bei der Erstellung von Vorträgen unterstützen können.

Für das Überarbeiten von Skripten bietet DeepL Write eine Lösung. Dieses auf künstlicher Intelligenz basierende Schreibtool verbessert nicht nur Grammatik- und Rechtschreibfehler, sondern schlägt auch alternative Formulierungen für Ton, Stil und Wortwahl vor. Es befindet sich zur Zeit in der Beta-Phase und kann kostenfrei, aber limitiert verwendet werden.

Um Multiple-Choice-Fragen und Antworten aus Texten zu generieren, kann jeder Chatbot wie ChatGPT verwendet werden.

ChatGPT Pro ermöglicht es Nutzern, eigene Chatbots (sogenannte GPTs) zu erstellen, ohne Programmierkenntnisse zu benötigen. Dies könnte auch für Universitäten von Interesse sein, da sie damit interaktive FAQs zu verschiedenen Seminarthemen einrichten können. Dies kann die Hürde für Nachfragen verringern und mehr Studierende dazu animieren, Unklarheiten zu klären. Was der Chatbot nicht beantworten kann, kann immer noch von der Dozentin oder dem Dozenten übernommen werden.

Doch es gibt kritische Stimmen.

Rechtliche Grauzonen umgeben die Nutzung von Künstlicher Intelligenz zur Zeit vor allem im Rahmen kreativer Produkte. Je nach dem, wo ein Korpus zusammengestellt wurde, gelten unterschiedliche Copyright-Gesetze, die die Zusammenstellung von Korpora für KI vielleicht gar nicht regulieren — zumindest gab es bis vor kurzem kaum Gerichtsentscheidungen, die die Anwendbarkeit dieser Gesetze auf KI-Korpora legitimiert hätte. Insofern existieren Anschuldigungen, dass gewisse Korpora für Bildgeneratoren unter unlauteren Methoden zusammengestellt wurden, indem Bilder ohne die Erlaubnis ihrer Rechteinhaber:innen verwendet wurden. Das ist beachtlich, weil durch die Programmierung von KI nicht klar erkennbar ist, welche Bilder als Referenz für das neu generierte Bild herangezogen wurden. Des Weiteren wird zur Zeit für die EU und andere Rechtsräume entschieden, wem die Bilder aus KI-Generatoren überhaupt in welcher Kapazität gehören. Für Studium und Lehre ist das relevant, weil verschiedene Bild- und Videogeneratoren existieren, die beispielsweise zum Generieren von Erklärvideos verwendet werden können. Von der Nutzung solcher Tools sollte abgesehen werden, bis klarere Regeln und erste präzidive Gerichtsentscheidungen getroffen wurden. Bei der Erstellung von Erklärvideos sollte deswegen weiterhin auf das Zurückgreifen von Bild- und Videogeneratoren verzichtet werden. Sowohl der rechtliche Status der erzeugten Bilder und Videos, als auch die Gefahr, dass für den Korpus der KI widerrechtlich Bilder verwendet wurden, sind leider noch ungeklärte Sachverhalte innerhalb der Europäischen Union.

Foto: UHH/Röttger

Das Hauptproblem von KI jedoch ist, dass es eben keine selbständige Intelligenz ist. KI kann unbewacht arbeiten und so Lehrkräften Arbeit abnehmen. Doch KI ist nicht unfehlbar. Tatsächlich ist sie je nach Programmierung und Korpus sogar fehleranfällig. Wenn KI die Übungsaufgaben falsch korrigiert und Lernende durch die Rückmeldung verwirrt, so kann dies immer noch im Nachhinein behoben werden. Viel problematischer wird es, wenn KI Entscheidungen über Dinge trifft, die Konsequenzen in der realen Welt haben. Dies ist auf besondere Weise evident in der Prüfungskorrektur, bzw. genauer gesagt, in der Plagiatsdetektion. KI-Tools versprechen Plagiate effektiv zu erkennen. Mit riesigen Korpora zu ihrer Verfügung erscheint dies plausibel — und effizient! Dozent:innen verlassen sich bislang auf ihre Intuition und ihren eigenen Korpus aus rezipierter Literatur, um Plagiate aufzudecken. Eine KI, die mehr Literatur gespeichert hat, als eine Person je lesen könnte, mit einem Algorithmus, der genau auf die Kopie von Inhalten ausgelegt ist, scheint eine praktische Automatisierung dessen zu sein. Doch mit dem Aufkommen von KI-betriebenen Textgeneratoren, die Studierende nutzen können, um ihre Hausarbeiten zu schreiben, bedarf es Detektoren, die theoretisch originelle Werke geschrieben von KI von echten originellen Werken unterscheiden können. In diesem Punkt stößt die Technologie an ihre Grenzen.

Verschiedene Firmen bieten KI-Produkte an, die es vermögen sollen, mit minimaler Fehlerquote derart Unterscheidung vorzunehmen, doch die Praxistests unabhängiger Produktetester lassen zu Wünschen übrig. Studierende, die eine generative Künstliche Intelligenz beauftragt zu haben eine Hausarbeit für sie zu schreiben, könnten gegen die Prüfungsordnung verstoßen, weil damit die kreative Hauptleistung nicht mehr bei dem zu prüfenden Studierenden liegt und die generierte Hausarbeit damit faktisch einer von einem Ghostwriter geschriebenen Hausarbeit gleicht. Die UHH und andere Hochschulen arbeiten zur Zeit Updates ihrer Prüfungsordnungen aus. Die Problematik verdeutlicht sich in der Beweislast. Die KI-Kontrolle kann den:die Dozent:in auf eine Spur oder aber eine falsche Fährte locken. Wenn der KI allerdings hinreichende Beweiskraft zugestanden würde, so gibt es für Studierende praktisch keine Möglichkeit ihre Unschuld zu beweisen. Das wäre bei derzeitigen Fehlerquoten fatal.